"Einen der ästhetischen Höhepunkte des diesjährigen Festivals - da waren sich die meisten Besucher einig - setzte der kubanische Beitrag LA VIDA ES SILBAR (LEBEN HEIßT PFEIFEN) von Fernando Pérez. Anhand der Schicksale dreier Menschen im zeitgenössischen Havanna erzählt der Film von der Suche nach persönlichem, privatem Glück. Zugleich ist eine Geschichte über die Konsequenzen persönlicher Entscheidungen - vor allem darüber, im geliebten Kuba zu bleiben oder das Land zu verlassen: »Die Schnecken sind die perfektesten Wesen. Sie können im Ausland leben, ohne ihr Haus, ihre Heimat verlassen zu müssen.« Dieses Filmzitat trifft die derzeitige Problematik Kubas und gleichermaßen den Nerv der Kinozuschauer, wir ihr zugleich wissendes und bitteres Lachen an dieser Stellen des Film offenbarte. Die meisten unter ihnen haben Freunde oder Bekannte, die schweren Herzens Kuba verlassen haben bzw. mußten und nun voller Sehnsucht an ihre Rückkehr denken. Und wer es sich finanziell leisten konnte, würde lieber heute als morgen weggehen, so schwer es auch fiele.
Zu Recht hat LA VIDA ES SILBAR, die einzige kubanische Filmproduktion des Jahres 1998, den Hauptpreis des Festivals erhalten. Nach HALLO HEMINGWAY (1990) was es die zweite Auszeichnung für Fernando Pérez. Sein Film besticht durch die symbolhafte, metaphernreiche Bildersprache und die intelligent ineinander verwobenen Geschichten der Protagonisten. Das sporadisch anklingende Pathos mag man ihm aufgrund der mutigen Betrachtung der derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnisse in Kuba verzeihen. Mit LA VIDA ES SILBAR zeigt sich erneut, daß die Produktionen des ICAIC, des nationalen Filminstituts, näher am Alltag der Bevölkerung sind als andere staatliche kontrollierte Medien. Ein Anspruch, den sich die kubanischen Filmschaffenen seit Beginn der Revolution setzen und den sie im Unterschied zu den politisch Verantwortlichen im Laufe der Jahre nicht vergessen haben."
Volker Kull:
in: Blätter des iz3w , Nr. 235, März 1999, S. 38
Last update: 18.1.2016