Fernando Perez

Das Glück in Havannas Strassen suchen

BIEL "Bedeutet Leben Pfeifen und was hat das mit Glück zu tun? Mit seinem Dokumentarfilm über die Dreharbeiten des kubanischen Films LA VIDA ES SILBAR ist dem Bieler Beat Borter nicht nur eine poetische Darstellung über Leben und Träumen in Kuba gelungen. Für ihn haben sich damit Türen geöffnet, die viel mit Glück zu tun haben.

"»Jeder Mensch entwirft seine eigene Idee vom Glück.« Diese Aussage des kubanischen Filmregisseurs Fernando Pérez könnte auch von Beat Borter stammen, und in gewisser Weise ist sie das auch. Mit derVerwirklichung seines Dokumentarfilm LA VIDA ES FILMAR, einer Hommage an seinen langjährigen Freund Fernando Pérez und an die Bewohner der Stadt Havanna, hat auch er eine Idee vom Glück entworfen. »Mit der Realisierung dieses Films habe ich mir einen langjährigen Wunsch erfüllt und er hat mir Dinge ermöglicht, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte«, weiss der Gymnasiallehrer aus Biel.

In Bildern sprechen

Die Faszination, durch Bilder eine andere Welt erleben zu können, habe bei ihm schon früh angefangen, erinnert sich Borter. Ob als Filmkritiker, im Vorstand der Filmgilde oder als Mitbegründer und Präsident des Filmpodiums hat er, der an die Sprache der Bilder glaubt, immer wieder versucht, den Leuten eine symbolische Welt näherzubringen.
Seine ersten visuellen Gehübungen hinter der Kamera sind allerdings noch nicht lange her. Sein erstes Werk, ein Dokumentarfilm über Biel und ein Geschenk an die Partnerstadt San Marcos in Nicaragua, hat er 1997 verwirklicht. «Es war ein sehr spannendes Projekt, und ich habe dabei viel über die Umsetzung von Effekten und über die technische Seite des Films gelernt», erzählt der Autodidakt, der sich von den Aufnahmen über den Schnitt bis hin zur Vertonung alles selber beigebracht hat.

Ein Land voller Widersprüche

Dass gerade Kuba zum Schauplatz seines ersten grösseren Filmprojekts wurde, ist kein Zufall. Vielmehr war es die langjährige Freundschaft zu Fernando Pérez, die ihm einen tiefen Zugang zu diesem Land ermöglicht hat. Seit er den kubanischen Regisseur 1991 im Rahmen eines Kulturaustauschs zwischen Biel und Kuba kennen gelernt hat, ist kein Jahr vergangen, in dem Borter nicht ein paar Wochen in Kuba verbracht hätte. Vor allem die Herzlichkeit und die Offenheit der Leute tief hätten ihn beeindruckt.
Wenn Borter seine Eindrücke beschreibt, ist immer wieder von Widersprüchlichkeit die Rede. «Kuba ist ein Land, in dem Schönes und Hässliches eng zusammen gehören. Es ist ein Land, das vom Zerfall eines Gesellschaftsmodells gekennzeichnet ist und das in dieser Situation intensiv nach neuen Wegen sucht». Er bewundere die Bewohner von Havanna, die es auch unter schwierigsten Bedingungen immer wieder schafften, ein intensives und gehaltvolles Leben zu führen, meint Borter.
Als ihm Perez bei einem Besuch im Winter 1997 von seinem neusten Filmprojekt erzählte, beschloss Borter, sich einen langjährigen Wunsch zu erfüllen, bei den Dreharbeiten dabei zu sein und diese selber zu dokumentieren. Mit der Idee, nicht nur die Dreharbeiten, sondern auch das ganze soziale Umfeld mit einzubeziehen, nahm die anfängliche Spielerei sowohl in technischer wie auch in finanzieller Hinsicht schnell grössere Dimensionen an. Als Beat Borter im Sommer 1998 nach Kuba reiste, wusste er noch nicht, ob sich das Projekt überhaupt finanzieren lässt. «Ich bin einfach abgereist, denn ich wusste, wenn ich es jetzt nicht mache, dann mache ich es nie», erinnert er sich.
Bereut hat Beat Borter seinen Entschluss nie: «Dieser Film hat mir viele Türen geöffnet und mir Vertrauen in meine eigene Kreativität gegeben. Es ist eine sehr schöne Erfahrung, mich auf diese Weise verwirklichen zu können.» Kreativ seien nicht nur die sechswöchigen Dreharbeiten in den Strassen von Havanna gewesen, sondern vor allem die Zeit danach, in der aus den fünfundzwanzig Stunden Filmmaterial sein Werk entstanden ist. «In der Zeit, in der wir den Film geschnitten haben, liessen mich die Bilder nicht mehr los. Ich habe mit ihnen gelebt und nachts von ihnen geträumt», erinnert sich Borter.

Film macht glücklich

Seit sein Film 1998 am amerikanischen Filmfestival von Havanna zum ersten Mal gezeigt wurde, hat Borter damit von Südamerika über Amerika bis in die Schweiz ein breites Publikum erreicht. Noch immer berührt es ihn, wenn er an ein Erlebnis in einer kleinen Provinzstadt von Kuba zurückdenkt: Eine ältere Frau kam nach der Vorstellung zu ihm, um ihm zu sagen, dass sie der Film glücklich gemacht habe.

Zwischen zwei Welten

«Dieser Film hat mir eine Art zweite Identität gegeben. Plötzlich wurde ich als Filmemacher mit Zuschauerinnen und Zuschauern konfrontiert, die auf meine Arbeit reagierten und mir in intensiven Gesprächen zu verstehen gaben, dass sie mein Film berührt hat», beschreibt Borter seine Erfahrungen als Regisseur. Dieser Film habe sein Leben in den letzten zwei Jahren mehr verändert als manches Jahr zuvor. «Ich habe mir damit einen grossen Traum erfüllt, der mein Leben zu einem Abenteuer machte. Dafür bin ich sehr dankbar», sagt der 51-Jährige, der trotz den Erfolgserlebnissen den Boden unter den Füssen nicht verloren hat und immer wieder gerne in das vertraute Umfeld seines Bieler Alltags zurückkehrt. «Es ist spannend sich zwischen zwei so unterschiedlichen Welten zu bewegen, denn schliesslich sind beide Teil von mir.»

«La vida es filmar»

pst. Sommer 1998: Fernando Perez dreht «La vida es silbar», ein Film auf der Suche nach dem Glück in Havanna. Doch wie reagieren die Schaulustigen auf die Dreharbeiten, was fasziniert sie am Medium Film, und was brauchen sie, um glücklich zu sein?
Während sechs Wochen begleitete Beat Borter den kubanischen Filmemacher bei seiner Arbeit in den Strassen und auf den Plätzen Havannas. Entstanden ist dabei kein gewöhnlicher «Making of», sondern eine poetische Dokumentation über Film- und Lebensträume und eine nachhaltige Begegnung mit dem heutigen Kuba.

Der Film läuft vom Freitag, 28., bis Montag, 31. Januar, täglich um 18 und 20.30 Uhr im Bieler Filmpodium.

Pascale Schnyder
Der Bund (Bern) 25.1.2000


Fernando Perez

Last update: 18.1.2016