Daniel Díaz Torres

Tropicanita

Kleines Tropicana

Daniel Díaz Torres, Cuba, Spanien BRD 1997, 112 Min., Spielfilm, 35 mm, Farbe


Inhalt

Die Komödie KLEINES TROPICANA setzt sich zusammen aus Krimi- und Spionageszenen sowie surrealistischen Bildern, die sich oft auf einen dämonischen Humor stützen.

Der Film beginnt mit dem Auffinden der Leiche eines deutschen Touristen im Zentrum von Havanna. Retrospektiv konstruiert Díaz Torres den Aufenthalt des Deutschen Hermann Pangloss (Peter Lohmeyer) im heutigen Havanna. Pangloss ist auf der Suche nach seiner Mutter, einer ehemaligen kubanischen Nachtclubtänzerin, die eine Liaison mit seinem Vater hatte. Während seiner mühsamen Suche verwandelt er sich zunehmend in einen neurotischen und Paranoikern Typ. Sein Verhalten wird provoziert durch Kontakte zu kubanischen Opportunisten.


Filmkritiken


"Ein junger Polizist aus der Provinz verpflichtet sich, den Fall aufzudecken, was ihm Gelegenheit gibt, seinen Aufenthalt in der Metropole zu verlängern. Der Polizist dargestellt von Vladimir Cruz (der David aus FRESA Y CHOCOLATE), ist eine phantasiereiche Persönlichkeit mit einer ausgeprägten Fähigkeit für skurrile Geschichten, besonders in Bezug auf die verdächtigen Personen.

Díaz Torres schrieb das Drehbuch in Zusammenarbeit mit seinem Landsmann, dem Humoristen Eduardo del Llano. Nach Díaz Aussage kam das gemeinsame Werk zustande, weil beide Humor als Eigenschaft der Intelligenz sehen."

Anne Haller, in: Matices Nr 19 Herbst 1998, S. 58


KLEINES TROPIKANA

Kuba im Schwarzwald

Ein ziemlich verdrehter Krimi-Spaß

Irgendwo zwischen Hemingway und Colombo sieht der junge kubanische Polizist Lorenzo (Vladimir Cruz) seine Zukunft. Wenn die kriminalistischen Fakten zu schnöde sind, ergänzt er sie gerne durch eigene Prosakompositionen, und der rätselhafte Tod eines deutschen Touristen in Havanna bietet genug Möglichkeiten für fantastische Spekulationen. Auf dem Rücken ein Paar umgeschnallte Engelsflügel, in der Hand eine Schnapsflasche und auf dem Körper Spuren von Fett und Krokettenteig - für den Vorgesetzten ist die Sache klar: Nach einem rauschenden Maskenball hat sich der betrunkene Ausländer verwirrt vom Dach gestürzt, Auf eigene Faust übernimmt Lorenzo die Recherchen und Daniel Díaz Torres Krimipersiflage KLEINES TROPIKANA folgt dem ambitionierten Beamten bei der Auflösung des komplizierten Falles. Wie ein mitgeführtes Videoband belegt, war der deutsche Tourist Hermann Pangloss (Peter Lohmeyer) in Havanna auf der Suche nach der eigenen Vergangenheit. Zur Zeit des zweiten Weltkrieges hatte sich sein Vater auf die Karibikinsel geflüchtet, verliebte sich dort in eine Rumba-Tänzerin und wurde zum antifaschistischen Helden, der Nazi-Spione aufdeckte und deutsche U-Boote in die Irre leitete. Unter rätselhaften Umständen mußte er in den Fünfzigern Kuba verlassen und eröffnete im schwarzwäldischen Titisee eine Bar mit dem klangvollen Namen "Kleines Tropikana". Hellsehende Fahrstuhlführerinnen, rücksichtslose Grabräuber, zwielichtige Antiquitätenhändler, exzentrische Engländerinnen, unsterbliche Zwerge, Sekretärinnen mit telekinetischen Fähigkeiten, explodierende Kroketten und eine Flasche mit teutonischem Zaubertrank - auf seiner Spurensuche gelangt der fantasiebegabte Ermittler zu immer absurderen Versionen des Kriminalfalles. »Alle Fiktion ist Lüge, aber die Lüge ist nichts weiter als unkontrollierte Fantasie über eine Wahrheit« setzt Regisseur Díaz Torres an den Anfang seines kriminalistischen Verwirrspiels.

KLEINES TROPIKANA pflegt einen erfrischend leichtfüßigen Umgang mit dem magischen Realismus. Die Anspielungen auf den kubanischen Alltag, wie etwa der mystische Einsatz von Stromausfällen, sind zahlreich, aber weniger direkt als in Torres' letzten Film ALICIA IM WUNDERLAND, dessen Aufführung in Kuba zeitweise verboten wurde. Besonders skurril wirken die Rückblenden, die das Leben des Verstorbenen im Schwarzwald zeigen und alle in der Karibik gedreht wurden. Die gesamten Kuckucksuhr-Bestände der Insel sind hier offensichtlich zusammengetragen worden, und die kubanischen Statistinnen tragen ihr Trachten-Outfit mit einer beneidenswerter Lässigkeit."

Martin Schwickert
in: Ultimo, Münster Nr. 24 1999


Im Wunderland

KLEINES TROPIKANA

"Wollte man den Filmen Lateinamerikas eine Gemeinsamkeit zusprechen, so wäre es die auffällige Häufigkeit, mit der Drehbuchautoren und Regisseure mit blühender Raffinesse, ungestümem Wagemut und verspielter Unbekümmertheit Scheinrealität und Surrealismus mengen. Die kubanisch-deutsche Koproduktion KLEINES TROPIKANA ist beispielhaft dafür: Was eben noch als Ablauf simpler Tatsachen daherkam, kippt plötzlich um in bizarre Traum- und Gedankenszenen. Die karge Welt der arrangierten Faxten wird ständig unterwandert von der Macht der Fantasie, und die Linearität der Ereignisse wird solange verknotet, bis niemand mehr vorauszusagen wagt, wie diese Geschichte wohl zu Ende gehen mag. Selbst wenn man ihr Ende schon am Anfang zukennen glaubt.

Da liegt der Deutsche Hermann Pangloss (Peter Lohmeyer) im Hinterhof eines mehrstöckigen Gebäudes in Havanna. Der Kopf ist zerschmettert. In der Hand hält der Tote eine Flasche. An seinem Rücken hängen die Reste von Engelsflügeln, die den Sturz vom Dach des Hauses nicht bremsen konnten. Der Polizei-Chef denkt vorschnell und den Tatsachen entsprechend: Selbstmord, allenfalls ein Unglücksfall im Karnevals-Suff. Lorenzo (Vladimir Cruz aus ERDBEER UND SCHOKOLADE), sein Untergebener, mutmaßt wie ein Poet. Die Fakten mögen klar sein, aber ohne Fantasie fehlt ihnen jede. Anmut. Die Untersuchungsprotokolle des jungen Beamten lesen sich denn auch wie Hemingway-Kurzgeschichten und nicht wie die Tatsachenberichte eines Ermittlers.

Der Film von Daniel Díaz Torres entwickelt sich so als bald vom nüchternen Fall eines Rationalisten zum filigran verwobenen Phantasma eines sympathischen Spinners. Da gehen Melodram, Lovestory, Polit-Farce, Latino-Komödie und, Nazi-Spionage-Thriller geschickt Hand in Hand. Und manch verdeckt oder ganz offen geschlagener Seitenhieb auf den real existierenden Sozialismus kubanischer Prägung findet auch sein Ziel. Die Metaphorik des magischen Realismus feiert fröhliche Urständ. Pangloss im Wunderland. Peter Lohmeyer findet dazu stets den passenden Gesichtsausdruck.

Der Deutsche ist nach Havanna gekommen, um seine kubanische Mutter zu suchen, die sein Vater in den 50er-Jahren einst auf der Karibikinsel allein zurückließ. Doch der Mittvierziger, der bloß leidlich Spanisch spricht, findet nur noch ihr Grab, und das ist kurz vorher von Räubern geschändet worden. Das jedenfalls nimmt die Polizei für bare Münze, als sie die Nacht- und Nebel-Verbrecher auf frischer Tat ertappt. Doch hinter dem Friedhofsfrevel steckt natürlich mehr als nur die Habgier einiger Übeltäter. Jedenfalls glaubt das Lorenzo, und mit jeder weiteren vortrefflich bebilderten Befragung von Zeugen entwickelt der fleißige Fantast neue schräge und skurrile Theorien.

Da ist plötzlich von einem ominösen Zaubertrank die Rede, der Menschen zwar kleinwüchsig, aber unsterblich macht. Ein finsterer Antiquitätenhändler entpuppt sich als Drahtzieher einer Verschwörung - oder auch nicht - und seine Frau als Ex-Hippie mit weltweit reichenden Liebesgelüsten, Und zu aller märchenhaften Fabulierkunst tanzen Rumba-Schönheiten und Schwarzwaldmädel. Wenn sich Lorenzo am Ende dieser quirligen Farce aus dem charmant-morbiden Havanna gar als Halbbruder des Toten outet, glaubt man ihm sogar diese Offenbarung. Denn da hat er längst schon die Uniform an den Nagel gehängt und die Pistole gegen eine Schreibmaschine eingetauscht. Nach der opulenten Orgie aus Flunkereien und Halbwahrheiten ist unsere Logik keinen Pfifferling mehr wert. Unsere Schaulust hingegen kommt voll ihre Kosten. Im Kino gibt es keine Kuba-Krise!"

Klaus Peter Hess
In: Münstersche Zeitung, 26.11.1999


Krokettenteig am Körper

KLEINES TROPIKANA: Skurrile kubanische Krimmalkomödie

Nicht noch ein Musikfilm über oder aus Kuba, sondern ein vom lateinamerikanischen Magischen Realismus getränkter Freiflug labyrinthischer Fantasie, in die die wunderbaren Salsa-Rhythmen einmal handlungsbestimmend eingreifen. Das Wort von der Erfindungslust der Menschen aus Havanna findet eine weitere betörende Bestätigung.

Die Polizei nimmt nachts auf dem Columbus-Friedhof Grabräuber fest und wird am anderen Morgen zur Leiche eines betrunkenen Mannes geführt, der, mit umgeschnallten Flügeln, Kroketten-Teig am ganzen Körper, einem Medaillon neben und Spuren eines Zuckerrohrtranks in sich anscheinend vom Balkon eines mehrstöckigen Mietshauses gestürzt ist. Der Tote, ein auf Kuba geborener Deutscher mit Namen Hermann Pangloss (Peter Lohmeyer), war nach Havanna gekommen, um eine Dokumentation über seinen Vater Rudolf vorzubereiten.

Hermann suchte, wie die Ermittlungen des eifrigen Polizeileutnants Lorenzo (Vladimir Cruz) ergeben, anscheinend seine verschwundene Mutter. So könnte man den Film nacherzählen. Doch das trifft ihn nicht. Denn Regisseur und Co-Autor Daniel Díaz Torres entwickelt keine lineare Geschichte, sondern einen von verschachtelten Rückblenden, kleinen Zeichentrickeinlagen und surrealen Szenen wimmelnden Kosmos, der alle Spekulationen, kaum, dass sie vom Erzähler Lorenzo ausgesprochen sind, schon, wieder relativiert oder in ein neues Licht setzt. Was ist wahr, was wirklich? Gab es gar eine Verschwörung?

Denn: Ist der Deutsche wirklich vom Dach gefallen? Ist er vielleicht von einem Altfaschisten, der seinen Vater kannte und sich eingeschlichen hat, vom Dach gestürzt worden? Oder hat er gar im Rausch versucht zufliegen? Immer näher kommt Lorenzo dem Zentrum der bis in die 30er und 40er Jahre zurückreichenden Ereignisse und entfernt sich immer weiter von Polizeibericht.

Neben dem gewohnt verlässlichen Peter Lohmeyer und dem fantasievollen Vladimir Cruz gefallen in der Verwirrballade um das titelgebende Lokal, um Schwarzwälder Uhren, Nazis mit Wundergebräu, treuen Modisten und Antiquitätenhändlern, Stiefelspuren neben Gebeinen, Hühnern auf dem Dach und Hellseherinnen wie im GEISTERHAUS sämtliche Nebenfiguren; ein "Lili Marleen" singendes Liftgirl, Lorenzos skeptische Geliebte, die leidenschaftliche Sekretärin und Psychologin Silvia oder die die Welt mit ihrer Liebe beglückende Exzentrikerin Chrissy. Sehenswert.

Hans Gerhold
in: Westfälische Nachrichten 26.11.1999


"Am meisten gespannt war man aber auf den Beitrag von Daniel Diaz-Torres' KLEINES TROPIKANA, eine kubanisch-deutsche Koproduktion mit Vladimir Cruz (FRESA Y CHOCOLATE) und Peter Lohmeyer in den Hauptrollen. Der zweistündige Film, vordergründig eine Art Krimi rund um den mysteriösen Tod eines Deutschen in Havanna, beeindruckt zwar durch ungeheuren Einfallsreichtum und eine schwindelerregende Metaphernfülle, ist aber andererseits von einer Inkohärenz, über die man nur den Kopf schütteln kann.

Bei der Kritik kam der Film gut an, die Jury zeichnete ihn mit dem Spezialpreis aus, beim Publikum hingegen fiel er durch. Sicherlich ist es ein Film, der noch viel zu reden geben wird (...)"

Geri Krebs
Globalisierung total. 'Hier kommt niemand mehr rein' war einer der meistgehörten Sätze des 19. Festival des Neuen Lateinamerikanischen Films in der kubanischen Hauptstadt Havanna. In: Die Tageszeitung 18.12.1997


"Besonders der kubanische Film ist ohne Co-Produktionen kaum lebensfähig. So kam der kubanische Regisseur Daniel Díaz Torrez zwei Tage nach Beginn des Festivals in Havanna an, im Gepäck seinen Film KLEINES TROPICANA, eine deutsch-kubanische Co-Produktion über einen poetischen Polizisten, der den mysteriösen Tod eines deutschen Touristen untersucht. Peter Lohmeyer spielt den nachdenklichen jungen Mann, der auf den Spuren seines vermeintlich antifaschistischen Vaters ums Leben kommt. »Der Kriminalfall ist nur vordergründig«, sagt Daniel Díaz Torres, »es geht mit um die die verrückten Möglichkeiten, der Vorstellungskraft und der Fantasie«."

Wolfgang Martin Hamdorf: Asche aus dem Paradies. Impressionen vom aktuellen lateinamerikanischen Filmschaffen. In: Filmdienst Nr. 4 1998, S. 39



last udate: 24.1.2016

Graphik: Uwe Krupka

Daniel Díaz Torres